PISA-Studie zeigt: Deutschland wird dem Anspruch aller Kinder auf bestmögliche Bildung nicht gerecht
Das Deutsche Kinderbulletin weist seit langem darauf hin, dass die Bildungs- und Entwicklungschancen unserer Kinder ganz wesentlich von ihrer sozialen Herkunft abhängen. Je bildungsferner und einkommensärmer eine Familie ist, umso größer ist die Gefahr, dass die dort lebenden Kinder ihre angeborenen Fähigkeiten nicht ausreichend entfalten. Ein Teil der Elternhäuser ist nicht in der Lage, ihren Kindern von früh an wichtige Grundfähigkeiten wie Sprache, geistige Wendigkeit, Wissenserwerb und soziales Verhalten zu vermitteln. Die Entwicklungsanregung der Kinder von Geburt an nennen wir frühkindliche Bildung. Nähme der Staat sein Wächteramt bzgl. des Kindeswohles ernst, müsste er Strukturen entwickeln, gefährdete Kinder zu erkennen und so früh wie möglich Eltern und Kinder die Teilnahme an sozialräumlichen Einrichtungen zu ermöglichen, die eine ausreichende Entwicklungsstimulation für die Kinder anbieten und gleichzeitig den Familien mit sozialen oder erzieherischen Angeboten beistehen. Solche Einrichtungen gibt es, aber in viel zu geringer Zahl und von zu unterschiedlicher Qualität.
Bereits zum Schuleintritt zeigen etwa 20% dieser Kinder keine ausreichend entfalteten Kompetenzen beim Sprechen, bei der kognitiven Erfassung, in der Fein- und Graphomotorik und im sozialen Verhalten. Heute wissen wir, dass etwa 1/4 bis 1/3 der Kinder aus armen und bildungsfernen Familien keinen Hauptschulabschluss erhalten wird.
Im Gegensatz dazu haben es Kinder aus höheren, vor allem bildungsnäheren Schichten sehr viel einfacher. Sie werden in ihrer Entwicklung gut angeregt und haben im Mittel keine Probleme mit ihrer schulischen und später beruflichen Karriere. Es besteht bereits im frühen Kindesalter eine große soziale Spaltung zwischen Kindern aus unteren und höheren sozialen Schichten.
Dabei können wir können es uns eigentlich nicht leisten, der Bildung aller Kinder – egal, welcher Schicht zugehörig - bei politischen Entscheidungen nicht die allerhöchste Priorität einzuräumen. Wir wissen seit vielen Jahren und aus zahlreichen internationalen Studien, dass das Geld, das in die Bildung investiert wird, sich um ein Vielfaches rentiert. Keine Kapitalanlage ist besser! Die Förderung der Bildung muss als die Förderung der Zukunft des eigenen Landes oberste Priorität haben.
Dass nun Jugendliche in Deutschland in Mathematik, im Lesen und in Naturwissenschaften nach den neuesten Studienergebnissen die niedrigsten Werte erhalten, die für Deutschland jemals im Rahmen von PISA gemessen wurden, ist ein Armutszeugnis für unsere gesamte Gesellschaft.
Ursachen für das schlechte Abschneiden der deutschen Schülerinnen und Schüler sehen die Autorinnen und Autoren der Studie unter anderem in der in Deutschland besonders schlecht gemanagten Corona-Pandemie. Deutschland war auf den Distanzunterricht schlecht vorbereitet und der Präsenzunterricht fiel entgegen dem Rat vieler Expertinnen und Experten zu lange aus.
Aber auch die unzureichenden Sprachkenntnisse vieler Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund spielt hier eine nicht unwesentliche Rolle. In vielen Familien wird einfach zu wenig Deutsch gesprochen, nicht vorgelesen und Sprachkurse werden nicht in ausreichender Zahl angeboten. Auch unsere Kindertageseinrichtungen sind hier oft überfordert und erhalten nicht die notwendige Unterstützung für die so wichtige frühe Sprachförderung.
Kinder aus oberen sozialen Schichten haben hingegen die schulischen Widrigkeiten während der Corona-Pandemie einigermaßen überstanden. Die Wahrscheinlichkeit spricht auch dafür, dass sie ihre schulischen Defizite auffüllen und ausgleichen werden, weil sie einen guten familiären Förderungshintergrund haben. Kinder aus den unteren sozialen Schichten werden mit großer Wahrscheinlichkeit ihre schulischen Lücken kaum ausgleichen können, wer sollte ihnen helfen? Die soziale Bildungskluft vertieft sich. Und das ist bedrückend.
Es sei noch einmal auf die von der Bundesrepublik am 5. April 1992 unterschriebene UN-Kinderrechtskonvention hingewiesen:
Artikel 28 [Recht auf Bildung; Schule; Berufsausbildung]
Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Bildung an; um die Verwirklichung dieses Rechts auf der Grundlage der Chancengleichheit fortschreitend zu erreichen, werden sie insbesonders
a. den Besuch der Grundschule für alle zur Pflicht und unentgeltlich machen;
b. die Entwicklung verschiedener Formen der weiterführenden Schulen allgemeinbildender und berufsbildender Art fördern, sie allen Kindern verfügbar und zugänglich machen (…)
c. allen entsprechend ihren Fähigkeiten den Zugang zu den Hochschulen mit allen geeigneten Mitteln ermöglichen;
d. Bildungs- und Berufsberatung allen Kindern verfügbar und zugänglich machen;
e. Maßnahmen treffen, die den regelmäßigen Schulbesuch fördern und den Anteil derjenigen, welche die Schule vorzeitig verlassen, verringern.
Artikel 29 [Bildungsziele; Bildungseinrichtungen]
Die Vertragsstaaten stimmen darin überein, dass die Bildung des Kindes. darauf gerichtet sein muss,
a. die Persönlichkeit, die Begabung und die geistigen und körperlichen Fähigkeiten des Kindes voll zur Entfaltung zu bringen; (…)
Nimmt m an diese Pragraphen ernst, muss der Bundesrepublik schlicht und einfach eine Vertragsbruch vorgeworden werden!