Niedrige Schulbildung - miserable Jobperspektiven

von Raimund Schmid

Deutsches Kinderbulletin fordert Ausbau früh wirkender Bildungsangebote

Eigentlich stehen Jugendlichen die Türen in eine verheißungsvolle Berufswelt angesichts vieler offener Stellen heute so offen wie selten zuvor. Eigentlich! Doch wie sehen die beruflichen Perspektiven für Jugendliche mit niedriger Schuldbildung oder für junge Menschen ohne jeglichen Schulabschluss aus? Bekommen sie Ausbildungsplätze, haben sie die Chance auf eine Karriere, die ihren Talenten angemessen ist? Eine aktuelle Umfrage der Bertelsmann-Stiftung und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung zu den Ausbildungs- und Zukunftsperspektiven von Jugendlichen mit niedriger Schuldbildung, an der insgesamt 100 Vertreter aus Wirtschaft, Verwaltung Bildungspraxis, Wissenschaft und Gesellschaft teilnahmen, wirft ein Schlaglicht auf die Ausbildungs- und Zukunftsperspektiven von Jugendlichen mit niedrigen Schulabschlüssen.

So sehen die ernüchternden Befunde im Detail aus:

  • Mehr als ein Drittel – 35,8 Prozent der Schüler mit Erstem Schulabschluss – fanden keinen Ausbildungsplatz – trotz vieler unbesetzter Ausbildungsstellen.
  • Junge Menschen ohne jeglichen Schulabschluss fanden sogar in nahezu zwei Drittel aller Fälle (64,4 Prozent) keinen Ausbildungsplatz.
  • Für die nächsten Jahre scheint keine Besserung in Sicht. Die Hälfte der Fachleute geht von einem Anstieg der Zahl an ungenügend Qualifizierten bis 2030 aus.
  • Die Beschäftigungsmöglichkeiten für Jugendliche, die keinen oder maximal einen Ersten Schulabschluss – ehemals Hauptschulabschluss – vorweisen können, werden bis 2030 sogar noch abnehmen. Zu dieser Einschätzung gelangen 61 Prozent der befragten Experten.

Kein Wunder, dass es 82 Prozent der Befragten daher auch für unwahrscheinlich halten, dass die enge Kopplung zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg im Jahr 2030 durchbrochen werden kann. Es besteht also dringender Handlungsbedarf, zumal drei Viertel derjenigen Jugendlichen, die maximal einen Ersten Abschluss gemacht hatten, auch tatsächlich eine Ausbildung oder Lehre absolvieren wollen.

Doch wie sähe der Weg zu besseren Jobchancen von Jugendlichen mit geringer Schulbildung oder ohne Bildungsabschluss aus? Auch dazu haben fast 90 Prozent der Befragten eine klare Meinung: Die Berufsorientierung muss individueller, verbindlicher und praxisnäher gestaltet werden. Dies gilt umso mehr, als 53 Prozent auch mit steigenden Qualifikationsanforderungen in den Ausbildungsberufen rechnen, die für Jugendliche mit niedrigeren Schulabschlüssen relevant sind. Über 42 Prozent sehen das zumindest teilweise so.

Diesen Anforderungen könne nur mit einer Flexibilisierung des Ausbildungssystems (Modularisierung/Teilqualifikationen) begegnet werden, meint die deutliche Mehrheit der Befragten (61 Prozent). So erwarten gar 70 Prozent der Befragten, dass Betriebe zunehmend Menschen mit Teilqualifikationen nachfragen werden. Doch die Experten sind skeptisch. 60 Prozent glauben nicht, dass all dies gelingen wird.

Die Forderungen des Deutschen Kinderbulletins
Um Jugendlichen aus Familien mit geringem Bildungshintergrund eine berufliche Perspektive zu bieten, fordert das Deutsche Kinderbulletin die Bundesregierung auf, umgehend erheblich mehr in die frühe Bildung dieser vielfach benachteiligten jungen Menschen zu investieren, da bereits frühkindlich ganz wesentlich die Weichen für den späteren Schulerfolg gestellt werden. Dr. Ulrich Fegeler vom Kinderbulletin begründet das so: „Kinder aus sozial benachteiligten Familien müssen von Anfang an, also ab dem ersten Lebensjahr kompensatorisch gezielt gefördert werden. In der Kita, später in der Grund- und weiterführenden Schule und dann auch während der Ausbildung. Nur so können wir ihre Ausbildungschancen verbessern. Ein Staat, der möglichst allen jungen Menschen eine abgeschlossene Berufsausbildung vor dem Einstieg ins Berufsleben ermöglicht, stärkt auch ihre Teilhabe und Zukunftsperspektiven und festigt zudem die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Quasi ein Doppel-Wumms.“                     

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